Prozess und Vorteile der Markenbildung (Gastartikel)

Brand2Mittelstand und Marke – passt das zusammen? Laut der Analyse-Firma Prognos werden in Deutschland im Jahr 2035 etwa vier Millionen qualifizierte Arbeitskräfte fehlen. Sechs von zehn Unternehmen haben aktuell offene Stellen, die sie mangels Bewerbern nicht besetzen können. Doch das ist nicht der einzige Grund, warum die Markenentwicklung für Familienunternehmen immer mehr in den Fokus gerät. Die Betriebe können nicht mehr nur über Qualitätsprodukte punkten, denn Kunden kaufen heutzutage Emotionen, Werte und Lebensgefühl. So wagen sich immer mehr mittelständische Unternehmen an die Markenbildung und überlassen das Feld der Imagepflege nicht mehr allein Coca Cola und Co. Auch die Hidden Champions müssen ins Rampenlicht treten – wollen sie trotz ihrer überlegenen Produkte nicht den Anschluss verlieren.

Doch wie findet ein Unternehmen die richtige Positionierung, um sich vom Wettbewerb abzuheben und Emotionen zu wecken? Wie finden Sie als Unternehmen ihre eigene Sprache und erschaffen dadurch eine Marke, die wirksam ist und die Strahlkraft Ihres Unternehmens verstärkt?

Chancen für den Mittelstand

Zuerst ist wichtig zu wissen, dass der Prozess einer Markenbildung etwas ist, an dem kontinuierlich gearbeitet werden sollte, wenn er langfristig Wirkung zeigen soll. Bei der Entwicklung einer Marke geht es nicht darum, den Auftritt eines Unternehmens „aufzuhübschen“ – vielmehr geht es darum, an den Kern unternehmerischer Probleme vorzudringen. Weitsichtige Unternehmen investieren auch oder gerade dann in ihre Marke, wenn das Kind sprichwörtlich in den Brunnen gefallen ist, d. h. Innovationen fehlen, der Preis- und Konkurrenzdruck immer stärker wird oder keine qualifizierten Bewerber in Sicht sind.

Markenbildung ist Chefsache. Sie als Inhaber sollten immer selbst involviert sein, denn eine authentische Markenentwicklung basiert auf den ursprünglichen Werten und Visionen eines Unternehmens. Nur wenn Sie die Veränderung mittragen und sich auf den Prozess einlassen, entsteht eine Marke mit Wirkung. Sie sollten bereit sein, neue Wege zu gehen und alte Denkmuster loszulassen. Das erfordert Weitsicht, Veränderungswillen und den Mut, sich entsprechend zu positionieren.

Corporate Identity und Corporate Design – was ist eigentlich der Unterschied?

Den ersten Schritt einer Markenbildung bildet die Ausarbeitung der Firmenidentität, sprich der Corporate Identity. Sie ist die Basis für alle weiteren Schritte und kann als so etwas wie ein Samenkorn, aus dem alles weitere erwächst, gesehen werden. Ist Ihre Corporate Identity klar formuliert, beantwortet sie folgende Fragen aus dem EffEff: Aus welcher Grundmotivation haben Sie das Unternehmen gegründet? Was sind die Leitsätze Ihres Unternehmens? Wer sind Ihre Kunden und warum sind diese bei Ihnen? Was wollen Sie mit Ihrem Unternehmen bewirken? Welche Produkte/Dienstleistungen bieten Sie an? Welchen Nutzen bringen diese Ihren Kunden und der Gesellschaft? Dabei ist wichtig zu verstehen, dass ein Unternehmen genauso funktioniert wie jeder andere lebende Organismus auch. Ist es an den Wurzeln krank (sprich, es fehlen Kultur und Werte), kann es auch nicht im Außen Früchte tragen (Finanzen und Gewinn).

Erst wenn o.g. Fragen klar beantwortet sind, kann darauf in der Folge ein Corporate Design entstehen das durch eine außergewöhnliche Bildsprache und Kommunikation Sog für Ihr Unternehmen erzeugt. Der Begriff Corporate Design beschreibt das, was man schlussendlich von Ihrem Unternehmen in Form verschiedener Medien zu sehen bekommt.

Grundsätzlich gilt: Nur aus einer klar formulierten und glaubwürdigen Corporate Identity heraus kann ein Corporate Design entstehen, das so einzigartig ist wie Ihr Unternehmen selbst und Wirkung zeigt.

Vorgehensweise

1. Schritt: Klären der IST-Situation

In einer Erstanalyse werden wichtige Fragen geklärt und erste Ziele definiert: Wo wollen Sie mit ihrem Unternehmen hin? Was wollen Sie mit ihrem Unternehmen erreichen? Was sind Ziele, die Sie vielleicht schon lange aus den Augen verloren haben? Welche Innovationen wollen Sie weiter vorantreiben? Welche Stärken machen Ihr Unternehmen aus? Worin besteht das größte Know-how und welchen Nutzen bieten Sie Ihren Kunden? Dabei werden auch Wettbewerber unter die Lupe genommen um zu prüfen, worin die Alleinstellung Ihrer Produkte liegt. Bei größeren Unternehmen ist es sinnvoll, Mitarbeiter verschiedener Hierarchieebenen zu diesem Teil des Markenbildungsprozesses hinzuzuziehen. Auf diese Weise werden manchmal Engpässe entlarvt, die einer Geschäftsleitung sonst vielleicht verborgen bleiben.

2. Schritt: Ausarbeiten von Werten & Vision

Aus den Ergebnissen der Analyse-Phase werden Werte, Vision, Markenkern sowie die Zielpersonen destilliert. Sie bilden die Basis der fest definierten Unternehmensidentität, die durch jeden Mitarbeiter gelebt wird und sofort spürbar sein sollte, wenn man mit Ihrem Unternehmen in Kontakt tritt. Dazu zählt vor allem auch wie Sie mit Ihren Mitarbeitern und Kunden umgehen möchten. Sie setzen sich wie viele andere Mittelstandsbetriebe auch für Region und Gesellschaft ein, pflegen eine familiäre Arbeitskultur und kümmern sich aktiv um Mitarbeiterförderung? Es geht darum, dieses Engagement und diese Haltung über Ihre Marke ins Außen zu kommunizieren und sichtbar zu machen. Dadurch wird Ihr Unternehmen für die Menschen greifbar und gewinnt an Vorbildcharakter.

3. Schritt: Entwicklung Corporate Design

Nun geht es darum, die Unternehmensidentität in eine visuelle Form zu gießen. Ziel ist immer, ein Erscheinungsbild zu kreieren, das für sich spricht und einfachen Regeln folgt. Die wichtigsten sind:

DIFFERENZIERUNG
Ein guter Auftritt hat Ecken und Kanten. Er ist so einzigartig wie das Unternehmen selbst.

GLAUBWÜRDIGKEIT
Ein guter Auftritt spiegelt ehrlich Stärken, Vision und Werte des Unternehmens wieder.

WIEDERERKENNBARKEIT
Ein guter Auftritt spricht überall die gleiche inhaltliche und visuelle Sprache.

KLARHEIT
Ein guter Auftritt vermeidet Fachchinesisch. Er bringt die Kernbotschaften
in Geschichten, Bildern und mit einfachen Worten auf den Punkt.

Bei der Entwicklung werden zuerst die Basiselemente definiert. Das sind Elemente wie Wort-/Bildmarke, Claim, Key Visual, Farbigkeit, Typologie und Bildsprache. Im nächsten Schritt entstehen Anwendungsbeispiele für konkrete Medien wie Briefbogen, Visitenkarte, Webauftritt, etc.. Die Medien, die ausgearbeitet werden, richten sich nach der Vermarktungsstrategie, die in den Phasen zuvor entsteht. Jedes Medium verfolgt einen bestimmten Zweck: Wer ist Empfänger? Wie gelangt es zum Empfänger? Was soll dieser nun tun? Welches Ziel verfolge ich damit? Das ist wichtig zu wissen, weil man nur so auch zu einem messbaren Ergebnis kommt. Wichtig ist aber auch, dass Sie sich am Ende mit dem was entstanden ist, wohl fühlen.

Fazit

Für viele mittelständische Unternehmer stellt sich die Frage nach dem nötigen Zeit- und Geldinvestment in die eigene Marke. Warum dort investieren, wenn man Marktführer auf seinem Gebiet ist und Mitarbeiterförderung aus einem Selbstverständnis heraus sowieso betreibt? Leider sind solche Qualitäten für Kunden und Bewerber oft nicht sichtbar und früher oder später macht sich das über fallende Umsatzzahlen oder fehlende Fachkräfte bemerkbar. Um langfristig etwas zu bewirken sollte ein Unternehmen pro Jahr mindestens 4% vom Umsatz in den Auf- und Ausbau seiner Marke investieren. Dass sich dieser Einsatz lohnt, stützt eine Studie des German Design Councils, demnach Unternehmen mit Fokus auf Design und Markenbildung durchschnittlich ein um 12% stärkeres Umsatzwachstum aufweisen als Unternehmen, die dies nicht tun.

Vielen mittelständischen Unternehmen ist der Nutzen einer gezielten Markenführung leider immer noch nicht klar. Tom Peters, Unternehmensberater und Partner von Ökonom Peter Drucker bringt es auf den Punkt: „Coole Dinge sind einfach cooler als uncoole Dinge… Der Anteil derer, die verstanden haben, dass die Emotionalisierung ihrer Marke der Schlüssel zum Erfolg ist, liegt vielleicht bei 5-10%. Wenn sehr viele Menschen etwas nicht begreifen, sichert es den wenigen Anderen einen entscheidenen Vorteil…“

Vom Markenverband wurden Führungskräfte der 100 größten deutschen Unternehmen nach dem Wert ihrer Marken befragt. 67% ihres immateriellen Unternehmenswertes schreiben diese demnach dem Wert ihrer Marken zu. Wie mächtig ein gelungener Markenauftritt sein kann, dürften diese Aussagen belegen.

Abschließend lässt sich zusammenfassen: Eine gute Marke ist authentisch, erzählt die Geschichte Ihres Unternehmens und löst Emotionen aus. Sie erfüllt bestimmte Kriterien wie Glaubwürdigkeit, Klarheit und Wiedererkennbarkeit. Sie stärkt die Identität Ihrer Firma und bewirkt eine dauerhafte Bindung der Mitarbeiter an Ihr Unternehmen. Gleichzeitig polarisiert sie und zieht dadurch die Kunden an, die Ihre Werte und die Kultur Ihres Unternehmens teilen. Ein professioneller Markenauftritt ist aus meiner Sicht daher langfristig die lohnendste Investition in ein Business, da er gleichbedeutend für Zukunftssicherung steht.


Verena DornÜber die Autorin:
Verena Dorn ist zertifizierte Strategieberaterin, Kommunikationsgrafikerin und Inhaberin des Kreativbüros DIE LÖSUNG – Strategie & Grafik. Sie hat sich auf Positionierung und Markenentwicklung für Familienunternehmen spezialisiert und ist Initiatorin des „LAND IN SICHT!“ Wirtschaftstreffs.
Nähere Informationen unter www.veraendertdiewelt.de und landinsicht-wirtschaftstreff.de


One thought on “Prozess und Vorteile der Markenbildung (Gastartikel)

  1. Sehr schön, von “sinnstiftendem Marketing” zu lesen. Freut mich wirklich, da auch wir uns mit nachhaltigen Ansätzen beschäftigen. Aber solange Unternehmen noch nicht mal nachhaltig ein Markenbewusstsein entwickeln, können wir hier in unserer Peergroup erzählen was wir wollen. Leider ist das die Realität. Aufsehen in der Peergroup macht noch keinen Kunden glücklich. Aber für alle, die das interessiert habe ich hier unseren frischen Vortrag zu: “Marketing, Konsum und Nachhaltigkeit, geht das?” http://marquardt-compagnie.de/profit-vorteile-nachhaltigkeit.html

    Macht weiter so, aber vergesst nicht die eigentliche Zielgruppe 😉 Die interessiert übrigens Content Marketing bisher auch nur wenig.

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